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Das denkende Herz

Wahrhaftig, mein Leben ist ein langes Lauschen
auf mich selbst und auf andere und auf Gott.

Etty Hillesum, Das denkende Herz

Auf die innere Stimme hören, mich meinem Inneren zuwenden und dabei verweilen, was ich vernehme – das beschreibt eine Haltung im Focusing-Prozess. Gendlin hat mit der Fortsetzungsordnung einen Prozess beschrieben, der zum Leben führt. Der Körper weiß den nächsten Schritt, ohne dass dieser Schritt vorher schon da ist. Sondern er kommt in dem Moment, wenn ich bei dem noch Impliziten, Unklaren verweile.

Etty Hillesum, eine junge Jüdin, die 1943 in Ausschwitz umgebracht wurde, hat die innere Stimme als die tiefste und häufig verborgene Ebene des Selbst erlebt. Zugang zu dieser Seelenschicht unterhalb des rationalen Bewusstseins erhalten die Demütigen – oder die Geübten. Focusing kann dieser Übungsweg sein. Wie erkenne ich die Stimme in mir als die Stimme Gottes in meinem tiefsten Selbst? Ist es eins? Wann fällt es zusammen? Viele Mystiker haben es so formuliert, dass die Entdeckung der eigenen Seele der Entdeckung Gottes gleichzusetzen ist. Und je mehr ich meinem Inneren vertraue, vertraue ich auch Gott und umgekehrt. Wenn das so ist, dann erkenne ich es daran, dass es mich – wie Gendlin es ausdrückt – voranbringt, näher zum Leben, zum Lebendigen, zur besten, umfassendsten, freundlichsten Version meines Selbst, meines wahren Selbst.

Wenn dir etwas wohlwollend, entgegenkommt und so durch dich hindurchfließen kann, dass du es ebenso wohlwollend weitergeben kannst, kannst du dich darauf verlassen, dass es sich um die Stimme Gottes handelt.

Wir müssen auf das lauschen, was uns unterstützt.
Wir müssen auf das hören, was uns ermutigt.
Wir müssen uns für das öffnen, was uns anspornt,
wir müssen dem Gehör schenken, was in uns lebendig ist.

Richard Rohr, Alles trägt den einen Namen, S. 114

 

 

Photo by Will O on Unsplash

Ein Kommentar

  1. Angelika Angelika

    Super ❣ Vielen Dank, Christiane, für diese Worte, die so passend ausdrücken, was much bewegt.

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