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Geduld

Zwischen Tagesschau und Spätfilm,
den neusten Infektionszahlen und Pandemieplänen,
der Frage, ob dieses Jahr Ostern vielleicht einfach ausfällt,
bleibe ich an Worten hängen, die ich wieder und wieder lese:

         Geduld

Geduld. Gelassenheit. O wem gelänge
Es still in sich in dieser Zeit zu ruhn,
Und wer vermöchte die Zusammenhänge
Mit allem Grauen von sich abzutun?

Zwar blüht das Land. Die reichen Zweige wehen,
Doch Blut und Tränen tränken rings die Erde
Und in der Tage stillem Kommen, Gehen
Verfällt das Herz in tiefster Ungebärde.

Und ist des Leidens satt und will ein Ende
Und schreit für Tausende nach einer Frist,
Nach einem Zeichen, daß das Kreuz sich wende.

Und weiß doch nicht, mit welchem Maß der Bogen
Des Unheils über dieser Welt gezogen
Und welches Schicksal ihm bereitet ist.

         Marie-Luise Kaschnitz

aus: Marie-Luise Kaschnitz, Dein Schweigen – Meine Stimme, Claasen Verlag, Hamburg und Düsseldorf, jetzt München 1962.

 

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