„Ehe es wächst, lasse ich es euch erlauschen.“ So übersetzt Nelly Sachs in einer Gedichtüberschrift Jesaja 42,9. In einer unübersichtlichen, ja bedrängenden Situation ruft der Prophet in Erinnerung, dass von Gott her Veränderung bereits geschieht. Veränderung wird manchmal herbeigesehnt, gerade wenn die Verhältnisse als drückend oder lähmend erfahren werden. „Es muss sich doch etwas ändern!“ ruft die Ungeduld, und die Resignation seufzt: „Das wird ja doch nichts.“ Manchmal macht Veränderung auch Angst, weil das Neue (zu) ungewiss ist oder wir lieber am Alten hängen bleiben möchten. Veränderung hat viele Gesichter. Um Veränderung kommt kein Mensch herum. Die vergangenen Monate haben es überdeutlich gezeigt. Viele Gewissheiten galten auf einmal so nicht mehr. Das löst Angst aus, – vielleicht aber auch hier und da eine Neugier, die ähnlich jener des Jesaja ist.
Diese Neugier beginnt mit dem Lauschen, dem genauen und achtsamen Hören. Ich finde es faszinierend, dass die Bibel die ganz leise Stimme Gottes kennt, die einem Hauch gleicht, den ich wahrnehmen, aber nicht festhalten kann. Wichtiges muss nicht immer laut daherkommen, wie beim Focusing. Die Stimme des Körpers ist leise, überraschend, kann Angst machen oder Neugier bestärken.
„Ehe es wächst, lasse ich es euch erlauschen“ – „Es“: Vor allen Handlungsanweisungen und Lösungen ist dieses „es“ für mich Präsenz, Präsenz Gottes, der von sich sagt: Ich bin da.