In diesem Jahr (2021) ist das Buch „Spirituelles Embodiment“ herausgekommen. Es wurde verfasst von Maja Storch, Eva Maria Jäger und Stefan Klöckner. Die drei Autor:innen führen in verschiedene Zugänge zur Spiritualität ein: über den Körper mit „Embodied Prayers“ und mit dem gregorianischen Choral. Um die Embodied Prayer vorzustellen, haben wir ein Interview mit Eva Maria Jäger geführt, die sie entwickelt hat.
Eva, Du bist Mit-Autorin des Buches Spirituelles Embodiment. Wie kam es dazu? Und was machst Du, wenn Du nicht gerade Bücher schreibst?
Ich schreibe tatsächlich auch als Privatmensch gerne Tagebuch und persönliche Texte, denn das Schreibtempo finde ich wunderbar „synchron“ zum Nachdenk-und Besinnungstempo.
Doch was mache ich alles sonst?
Mein beruflicher Alltag, der aus vielen Klientengesprächen in meiner Praxis für Verhaltenstherapie in München besteht, wechselt sich ab mit meiner Lehrtätigkeit an der Internationalen Hochschule in Liebenzell, an der ich den Master-Studiengang „Integrative Beratung“ mitentwickelt habe, der berufsbegleitend studiert werden kann. Das bedeutet u.a. für mich, ca. einmal pro Monat ein dreitägiges Kompakt-Modul zu unterrichten. Beides, als Therapeutin und als Professorin unterwegs zu sein, erlebe ich als ein Privileg, was nicht immer so war.
In meiner Praxis ganz offiziell Fragen stellen zu dürfen und bei jedem Menschen neu anzufangen – das empfand ich anfangs als schwierig, denn ich wünschte mir damals noch, mich routinierter und sicherer zu fühlen. Doch dass es gerade meine Nicht-Wissen ist eine offene und im besten Sinne unsichere Haltung, die hilfreich und sogar professionell ist, das sind Entdeckungen der letzten Jahre, die diesen Beruf für meine Klienten – und mich selbst immer mehr zu einer Bereicherung werden lassen.
Und dass ich dabei Hin- und Herpendeln kann zwischen eigener Praxis und dem Unterrichten und Reflektieren von Theorien an der Hochschule ist ein zusätzliches Geschenk.
Dann gibt es noch unsere kleine Familie, meinen Mann, Tilman und unseren Sohn Jakob, 19.
In meiner freien Zeit mache ich Musik, singe im Chor, geige mit meinem Mann oder zeichne und male kleine Projektchen und Bilderbüchlein. Ich spinne auch sehr gerne Wolle. Und ich liebe Kräutergärten und Kochfilme und entwerfe im Kopf sehr gerne Gärten und Häuser.
Was sind Embodied Prayers?
Embodied Prayers sind Gebete mit dem Körper. Ich bin noch nicht ganz glücklich über den Begriff, aber er vermittelt auch den wissenschaftlichen Hintergrund, aus dem ich sie entwickelt habe:
Der Begriff „Embodiment“ wurde von Neurowissenschaftlern wie Damasio, aber auch Lakoff und Varela geprägt und unterstützt einen Ansatz, der in den vergangenen Jahren über den „Body-Turn“ mehr und mehr ins Blickfeld der Psychologie und Psychotherapie geraten ist. Es geht um die Leib-Seele-Interaktion und darum, dass nicht nur seelische Prozesse Wirkung auf den Körper haben, sondern gerade auch umgekehrt körperliche Prozesse auf die Seele wirken.
In der kognitiven Verhaltenstherapie geht man ja davon aus, dass unsere kognitiven Einstellungen unser Verhalten, unseren Stimmung, unseren Körper beeinflussen und hat jahrzehntelang v.a. über diese Ebene interveniert. Doch der Weg der Entwicklung und Veränderung kann auch im Sinne eines „Bottom-up-prozesses“ von unten nach oben gehen, vom Körper auf Seele und Geist weiterwirken.
Maja Storch hat u.a. mit Gerald Hüther das maßgebliche Buch dazu im deutschen Sprachraum geschrieben. Ich habe mich dann sehr gefreut, dass Maja und ich entschieden haben, dem Embodiment auch im spirituellen Bereich nachzugehen. Der Begriff „Embodied Prayer“ greift also die Idee des „Embodiments“ auf.
Wie hast Du sie entwickelt?
Ich habe selbst körperliche Probleme bekommen nach einem (von mir im voraus schon befürchteten!) und dann auch stattgefundenen Umzug nach München. Der Vorteil von diesem Umzug war, dass ich offenen Auges in die „Krise“ gegangen bin und damit viel bewusster mit allen Veränderungen umgehen konnte. Mein Körper hat dann nach einem Vierteljahr dort trotzdem rebelliert – offensichtlich war das mit dem „Vertrauen“ nicht, noch nicht bei ihm angekommen. Und ich war ratlos: kognitiv war es klar – aber mein Stoffwechsel, Darm, Leber – das alles habe ich zum ersten Mal in meinem Leben richtig und schmerzhaft zu spüren bekommen: sie wollten nicht mit. Es gab diverse Probleme und oft lag ich nachts mit Schmerzen wach und konnte gedanklich nichts lösen. Das kenne ich ja auch von meinen Klienten, wenn sie sagen: Frau Jäger – im Kopf weiß ich das, aber ich kann es nicht spüren!
So musste ich mir etwas einfallen lassen, was nicht nur intellektuell zum Zug kommt. Ich habe gemerkt, wie labil das innere Gleichgewicht ist. Davor gehörten regelmäßige Spaziergänge in unberührter Landschaft zu meinem „Ausbalancier-Mittel“, was in der Großstadt so nicht möglich war. Über unseren Chor und eine gläubige Freundin, die mir eine Logopädin in München empfahl, habe ich Qigong kennengelernt – zuerst wusste ich nicht, dass es Qigong war, aber ich habe intuitiv gemerkt, dass mir diese körperliche Regulation fehlt. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern ein echter, echter Hunger nach innerem, organischem Gleichgewicht in mir angesprochen wurde. Als ich dann mitbekam, dass es Qigong-Übung sind, war ich zuerst erschrocken – als Tochter und Enkelin aus „pietistischem Haus“. Doch dann habe ich – auch ermutigt durch Schwestern vom Arenberger Kloster, die meinten, wir dürften alle solche Übungen „taufen“ – begonnen, während dieser Übungen offen zu werden für Psalmworte, die mir kommen. Und ich war erstaunt, wie gut das möglich war.
Das brachte mich auf die Idee, es noch mehr zu systematisieren und unterschiedliche Psalmworte in Verbindung mit unterschiedlichen Bedürfnissen zu bringen. Ich habe eine Umfrage gemacht mit Psalmworten und 150 Versuchspersonen, deren Bedürfnistyp ich per Testergebnis hatte und dann habe ich die Gebets-Kreisläufe entwickelt. Das war ungefähr zeitgleich zu der Idee, mit der Maja auf mich zukam, ein Buch über „spirituelles Embodiment“ zu schreiben. Vor allem aber habe ich selbst gemerkt, dass ich über diese Verbindung von fließenden, regulierenden Bewegungen mit dem Wort Gottes selbst auf einer ganz substantiellen Ebene immer mehr ins Gleichgewicht kam. Ich habe schon auch andere Aspekte berücksichtigt, wie z.B. meine Nahrung etwas umzustellen, aber ich muss sagen, diese „Komposition“ von Bibelwort und Regulationsübung, noch dazu in der Natur für mich an einem geschützten Ort – das hat mich selbst sehr überrascht. Es hat einen Impact auf meine ganze Persönlichkeit. Gerade dadurch, dass es zusammenfließt. Ich kann in der Tat nicht sagen, wo ich heute ohne diese Körpergebete wäre, denn sie sind sozusagen mit mir „verwachsen“ und in die „Körperzelle“ hereingekommen.
Fortsetzung im übernächsten Beitrag. Hier spricht Eva über Spiritualität und die Verbindung mit dem Körper.
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